Im Jahr 2018 erschien „Die Grüne Lüge“ als Dokumentarfilm*und wurde im selben Jahr auf der Berlinale uraufgeführt. Parallel dazu erschien ein gleichnamiges Buch, geschrieben von Kathrin Hartmann, die neben dem Regisseur Werner Boote auch durch den Film führt. Beide veröffentlichten bereits in der Vergangenheit diverse gesellschaftskritische Bücher bzw. Filme. Erst im vergangenen Jahr 2020 kam das Buch „Grüner wird’s nicht: Warum wir mit der ökologischen Krise völlig falsch umgehen.*“ von Kathrin Hartmann heraus.
Die grüne Lüge ist kein Buch das Spaß macht. Das soll es auch nicht. Denn Kathrin Hartmann beschreibt anhand zahlreicher Beispiele und Katastrophen, wie Konzerne ihr Geschäftsmodell hinter Öko- und Sozialversprechen verstecken und sich dadurch gewissermaßen rein waschen, oder Neudeutsch Greenwashing betreiben. Das geschieht natürlich auf Kosten anderer, vor allem armer Menschen und wehren können die sich kaum dagegen. Unternehmen wie BP, RWE, KIK, Unilever aber auch NGOs wie WWF werden im Laufe des Buches systematisch kritisiert ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen.
Die Verantwortung trägt der Konsument
Hartmann & Boote kritisieren sehr vehement, dass sowohl Politik als auch Wirtschaft den Konsumenten in die alleinige Verantwortung drängen die Welt ein Stück nachhaltiger zu gestalten. Der Konsument brauche nur ökologische Produkte kaufen und schon löst sich das Problem von ganz alleine. Doch am Ende geht es nur darum, dass wir immer mehr konsumieren, im Idealfall dabei ein gutes Gefühl haben und die Konzerne weiterhin Gewinne generieren. Jedoch sind Wirtschaftswachstum und Klimaschutz laut der Beiden ein absoluter Gegensatz. Hartmann prangert z.B. die Automobilbranche an, die für ihre grüne Mobilität wirbt, das Grundproblem aber weiterhin das Gleiche bleibt und auch durch Elektroautos (im Speziellen durch die Batterien) große Umweltschäden entstehen.
Es ist vielen Menschen gar nicht bewusst ,dass sie ein aktiver Teil der Kultur sind, die permanent ihren Ressourcenverbrauch erhöhen, obwohl sie ihrem Selbstbild nach längst grün, nachhaltig oder klimabewusst sind.Kathrin Hartmann
Business as usual mit grünem Anstrich - Hurra!
Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass der vermeintlich grüne Konsum zwar Euphorie und Positivität bei den Menschen auslöst. Jedoch komplett davon ablenkt wichtige, gesellschaftliche Fragen zu stellen. Die Lösung ist: Kaufe grüne Produkte und alles wird gut. Aber wäre es nicht sinnvoller darüber nachzudenken wie eine Gesellschaft zukünftig glücklich und im Einklang mit der Natur leben könnte? Dieses Recht ist bereits in der ecuadorianischen und bolivianischen Verfassung verankert und heißt dort „Buen Vivir“. Es geht um das harmonische Zusammenleben von Menschen in der Gemeinschaft und mit der Natur. Das steht im kompletten Widerspruch mit dem Ziel Wirtschaftswachstum zu generieren und die Umwelt zu schützen. So liest sich „Die grüne Lüge“ auch als 240 Seiten starkes Buch, das den Kapitalismus als Hauptproblem sieht.
Greenwashing ist eine Erfolg versprechende Form von Lobbyismus
Im Weiteren Verlauf des Buches werden zahlreiche Greenwashing Beispiele aus der Palmöl- , Fashion-, Energie- oder Ölbranche aufgezeigt. Alle Branchen hatten oder haben immer noch diverse Skandale zu durchleben und zogen sich meist sehr gekonnt aus der Verantwortung. Es wurden fleißig Nachhaltigkeits-Strategien entwickelt, Verbesserungen versprochen, Roundtables gegründet oder nachhaltige Produkte entwickelt. Das Gesamtgeschäft wurde dadurch aber wenig beeinflusst, so dass die Konzerne ohne große Probleme da weiter machen konnten wo sie aufgehört haben. Eine Ausnahme ist vielleicht RWE, deren Aktie mittlerweile nur noch ein Drittel des Wertes von 2008 hat. Ob deswegen ein Umdenken stattgefunden hat, steht auf einem anderen Blatt Papier.
„Corporate Social Responsibility“ anstatt strenge Gesetzgebungen! In zahlreichen Recherchen fanden die Beiden heraus, dass Unternehmen durch fleißige Lobbyarbeit harte Gesetzesentwürfe vermeiden konnten. Anstatt dessen einigte man sich auf freiwillige Verbesserungen, die selten oder gar nicht überprüft wurden. Oder um es in den Worten von Kathrin Hartmann zu sagen: Politiker sind die Handlanger der Unternehmen.
Fazit
Es steht außer Frage, dass Ölkatastrophen, brennende Textilfabriken oder Waldrodungen für Palmölplantagen ein riesiges Desaster sind und in jedem Fall strenger kontrolliert und sanktioniert werden müssen. Diese sehr krassen Beispiele im Buch sind ohne Wenn und Aber zu kritisieren. Auch das Greenwashing ein beliebtes Mittel für erfolgreiche Lobbyarbeit geworden ist, kann nur vernichtend bewertet werden. Die enge Verzahnung von Politik und den diversen Lobbys müsste aufgebrochen werden um ernsthaft Änderungen herbeizuführen. Hier sehe ich ehrlicherweise geringe Chancen aber man soll bekanntlich die Hoffnung nicht aufgeben.
Ich gebe den Autoren Recht, dass uns Konsumenten nicht die alleine Verantwortung übergeben werden sollte. Aber ich bin dennoch der Meinung, dass jeder Einzelne etwas an sich und seinen Gewohnheiten ändern kann. Denn neben den im Buch genannten Großkonzernen, gibt es zahlreiche kleine und mittelständische Unternehmen die sehr wohl an einer grüneren Zukunft arbeiten. Es entstehen immer mehr Bürgerinitiativen, die ihre Stadt nachhaltiger gestalten wollen. In den vergangenen Jahren ist die „Fridays for Future“ Bewegung groß geworden und man hat das Gefühl, dass sich die junge Generation vermehrt Gedanken über Nachhaltigkeit macht . Dieses Recht der Positivität möchte ich mir heraus nehmen, nachdem „Die grüne Lüge“ doch sehr negativ und kritisch ist. Es ist sehr wichtig sich diese Ungerechtigkeiten bewusst zu machen aber es ist genauso wichtig positiv in die Zukunft zu schauen und an lokalen Lösungen zu arbeiten. Was bleibt uns auch sonst übrig?
Zum Schluss sei noch gesagt, dass ich mir mehr Lösungsansätze gewünscht hätte. Man fühlt sich etwas hilflos nach dem Lesen dieses Buches. Aber um Lösungen zu schaffen muss man erst einmal aufgerüttelt werden und das bekommt das Buch (aber auch der Film) auf jeden Fall hin.
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Buchcover Credits: Blessing Verlag / Penguin Randomhouse